Angehörigenbefragung
Die Weisse Liste, ein Projekt der Bertelsmann Stiftung, hat ein Instrument zur Befragung von Angehörigen zur Qualität von Pflegeheimen vorgelegt. Der vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP) auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelte Fragebogen kam 2019 erstmals in Hamburg flächendeckend zum Einsatz. Der Fragebogen umfasst in der 2023 revidierten Fassung 31 Fragen aus sieben Qualitätsdimensionen wie beispielsweise „Selbstbestimmung“, „Personal“ oder „Essen und Trinken“. Rund 16.000 Angehörige der Bewohnerinnen und Bewohner aus 144 Einrichtungen werden befragt. Die Ergebnisse werden einrichtungsbezogen in anonymisierter Form veröffentlicht und so zu mehr Qualitätstransparenz beitragen.
Die Ergebnisse sollen Pflegebedürftigen und Angehörigen auf der Suche nach einem Pflegeheim helfen und ihnen entscheidungsrelevante Informationen geben.
Der Fragebogen umfasst für Verbraucher wichtige Aspekte wie die Würde und Autonomie der Pflegebedürftigen sowie das Engagement und die Kommunikation des Personals. Die Qualitätseinschätzung der Angehörigen zu diesen Fragen ergänzt die öffentlich zugänglichen Prüfergebnisse der Behörden und des Medizinischen Dienstes (MD), die vornehmlich gesundheitsbezogene Kriterien berücksichtigen.
Die Befragungsdaten sollen auch den Einrichtungen eine systematische Rückmeldung zu ihrer Arbeit bieten.
Die Veröffentlichung dient mithin als Anstoß für konkrete Verbesserungen.
Die Ergebnisse sollen außerdem die Arbeit der zuständigen Aufsichtsbehörden unterstützen.
Dafür werden eigens sechs Fragen zu kritischen Ereignissen wie z. B. Gewaltanwendung gestellt, die erste Anhaltspunkte für Beratung und nötigenfalls Prüfungen geben können. Da solche Aspekte für Angehörige im Einzelfall schwierig zu bewerten sind und absichtliche Falschangaben nicht gänzlich ausgeschlossen werden können, werden die Antworten auf diese Fragen nicht veröffentlicht. Damit sind die Einrichtungen vor besonders rufschädigenden, möglicherweise ungerechtfertigten Anschuldigungen geschützt.
Die Sozialbehörde der Stadt Hamburg setzt den Fragebogen landesweit ein.
Grundlage ist das Hamburger Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz, das eine jährliche Angehörigenbefragung vorsieht. Der Fragebogen berücksichtigt landesgesetzliche Qualitätsanforderungen und kann auch in anderen Bundesländern zum Einsatz kommen.
Hintergrund des Engagements der Weissen Liste ist die Reform des sogenannten Pflege-TÜV.
Hierzu hat die Weisse Liste konkrete Vorschläge erarbeitet, wie das heutige Qualitätsberichterstattungssystem mit den wenig aussagekräftigen „Pflegenoten“ abgelöst werden sollte. Zu den wesentlichen Vorschlägen gehört auch, das Erfahrungswissen der an der Pflege Beteiligten zu erschließen und als Teil der Qualitätsberichterstattung auf Landes- und Bundesebene zu veröffentlichen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten
zur Angehörigenbefragung der Weissen Liste
Grundlage des Fragebogens ist ein wissenschaftliches Gutachten des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e. V. (DIP). Das DIP entwickelte den Fragebogen schrittweise unter Beteiligung von Experten und Betroffenen, um für eine möglichst hohe Verständlichkeit und Aussagekraft zu sorgen.
Die Arbeit wurde von einem Expertenbeirat begleitet, in dem auch Betroffenenverbände und weitere Wissenschaftler vertreten waren.
Der Fragebogen wurde sowohl mit Vertreterinnen und Vertretern der Landes- und Bezirksseniorenbeiräte der Stadt Hamburg als auch mit Vertretern der dortigen Pflegeeinrichtungen, der Aufsichtsbehörden und weiteren Fachleuten diskutiert.
Das DIP erstellte ergänzend einen Handlungsleitfaden, der Vorschläge zur Auswertung und Darstellung der Ergebnisse sowie zum Umgang mit ihnen enthält.
2023 wurde der Fragebogen auf Grundlage der Ergebnisse der ersten Befragung revidiert.
Der Fragebogen umfasst in der 2023 revidierten Fassung insgesamt 31 qualitätsbezogene Fragen. Sechs davon sind Fragen zu kritischen Ereignissen wie etwa Gewaltanwendung, die nicht veröffentlicht werden. Hinzu kommen zwei Fragen zu Lob bzw. Kritik als Freitextfeld, die ebenfalls nicht veröffentlicht werden, aber den Einrichtungen und Behörden zur Verfügung stehen. Des Weiteren werden 11 soziodemographische Merkmale erhoben, die nur zu wissenschaftlichen Zwecken genutzt und nicht veröffentlicht werden.
Die Fragen bilden folgende sieben Qualitätsdimensionen ab:
- Selbstbestimmung und Selbstständigkeit
- Respektvoller Umgang
- Sicherheit
- Essen und Trinken
- Fachspezifische Versorgung
- Personal
- Wohnen
Die Fragen sind im Fragebogen nach folgenden Themengebieten gruppiert:
- Alltagsleben
- Wohnen und Hauswirtschaft, Speise- und Getränkeangebot
- Versorgung durch das Personal
- Kritische Ereignisse
- Einschätzung insgesamt
- Lob und Kritik für die Einrichtung
Die Menge an Fragen mit jeweils i. d. R. vier Antwortkategorien führt zu sehr umfangreichen Ergebnissen. Um diese verständlich und nutzerfreundlich aufzubereiten, können je Frage und zusammenfassend je Qualitätsdimension Stärken und Schwächen ermittelt werden. Wenn eine Einrichtung mehr Bestbewertungen erhält als der Durchschnitt (Median) der Einrichtungen, gilt der abgefragte Aspekt als Stärke, umgekehrt gelten überdurchschnittlich viele „Kreuze“ in der schlechtesten Antwortkategorie als Schwäche. Für die Auswertung der Qualitätsdimensionen werden dabei die Antworten der zugehörigen Fragen lediglich aufsummiert. Aus methodischen Gründen ist es nicht sinnvoll, einen „Durchschnittswert“ je Frage oder Dimension zu berechnen. Die Auswertungsmöglichkeiten haben die federführenden Wissenschaftler in einem Handlungsleitfaden beschrieben.
Nein, die Teilnahme ist freiwillig. Im Fall des Landes Hamburg ist gesetzlich vorgeschrieben, dass eine Angehörigenbefragung durchgeführt und veröffentlicht wird. Die Einrichtungen sind verpflichtet, daran mitzuwirken.
Was gute Qualität bedeutet, ist für jeden Pflegebedürftigen individuell unterschiedlich. Pflegewissenschaftler wissen: nur einen Teil der vielen möglichen Aspekte können Experten durch stichprobenartige Prüfungen beurteilen. Ein Beispiel: Ob die Mitarbeiter des Pflegeheims die Selbstständigkeit der Bewohner fördern und mit ihnen würde- und respektvoll umgehen, können in erster Linie die Bewohner selbst und ihre Angehörigen beurteilen. Angehörige kennen zudem die Wünsche, Bedürfnisse und früheren Lebensgewohnheiten der Bewohner meistens sehr gut und können sich in sie hineinversetzen. Daher ist die Befragung der Angehörigen eine wichtige ergänzende Methode, um die Qualität von Pflegeheimen einzuschätzen. Im Fragebogen wurde auf Fragen verzichtet, die zu Ihrer Beantwortung spezielle pflegefachliche Kenntnisse erfordern oder anderweitig von Angehörigen nicht beurteilt werden können.
In Deutschland gibt es noch kein wissenschaftlich abgesichertes Modell, wie Pflegequalität sicher gemessen werden kann. Es fehlt an Grundlagenforschung zur Qualität von Pflegeeinrichtungen und insbesondere zur Definition von „Qualität“. Der Fragebogen ist ein wissenschaftlich fundiertes und durch Experten optimiertes Instrument zur Einschätzung der Qualität durch Angehörige. Er ist jedoch bewusst kein testtheoretisch abgesichertes Messinstrument. Der Fragebogen „misst“ also nicht Qualität, sondern gibt die subjektive Einschätzung der Qualität aus Sicht der Angehörigen wieder.
Die Befragungsergebnisse sind nicht als „Messergebnisse“ im engeren Sinne zu verstehen. Sie liefern aber ernstzunehmende Anhaltspunkte für die Qualität von Pflegeheimen. Stärken und Schwächen aus Sicht der Angehörigen werden aufgezeigt, wobei auch Themen zur Sprache kommen, die bei externen Qualitätsprüfungen unberücksichtigt bleiben. Einrichtungen können ihre Ergebnisse auswerten, um Verbesserungsmöglichkeiten zu finden. Dafür erhalten sie Vergleichswerte (Benchmarkdaten). Es gibt aber auch methodische Grenzen dessen, was aus den Befragungsdaten abgeleitet werden darf. So wäre eine behördliche „Mängelrüge“ allein aufgrund schlechter Bewertungen unzulässig.
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